1) Wenn Idioten, denen Meinungsfreiheit und Toleranz überhaupt nichts gelten, die Idiotie anderer Idioten verteidigen wollen, zitieren sie gerne Voltaire: "Ihre Meinung ist mir zwar widerlich, aber ich werde mich dafür totschlagen lassen, daß Sie sie sagen dürfen." Darauf ist zu antworten: Quod licet Jovi, non licet bovi. Hätte er das gesagt, was die Idioten ihm so gerne unterstellen, dann hätte Voltaire seine Bereitschaft, sich für die Meinungsfreiheit von jemand anders "totschlagen" zu lassen, als Vergleichswert einführen können, weil sein Tod einen echten Verlust für die Philosophie bedeutet hätte. Bei den meisten, die dieses Zitat im Munde führen (weil sie nichts anderes von Voltaire kennen), ist das eher zweifelhaft. (Ähnliches gilt übrigens auch bei korrekter Übersetzung des Zitats, aber das nur am Rande). Um Voltaires Gedanken wäre es schade gewesen - aber nicht um das Geschwurbel der Deppen, die seinen Satz als genehme Spielmarke mißbrauchen. Sie meinen freilich mit dem schnellen Sprüchlein die Quintessenz der Toleranz in Händen zu halten, in Wirklichkeit demonstrieren sie per Kontrast die Entbehrlichkeit ihrer substanzlosen Meinungen.
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Wer heute noch die geistigen Blähungen jedes reaktionären Knallkopfs mit dem ebenfalls zu Tode zitierten Oneliner der Luxemburg ("Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden") veredeln will, ist gerne eingeladen, die historische und textuelle Umgebung dieses Zitats kennenzulernen.
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Das drittbeliebteste Zitat der Halbdummen stammt von Konrad Adenauer: "Wir leben alle unter dem selben Himmel, aber wir haben nicht alle denselben Horizont." Dagegen hilft dann vollends nur noch Karl Kraus: "Fürs Leben gern wüßt' ich: was fangen die vielen Leute nur mit dem erweiterten Horizont an?" Eben. In schockierend vielen Fällen ändert nämlich auch ein erweiterter Horizont nichts am Grundproblem: der Halbdummheit, die, wie der Neofaschismus auch, eher ein emotionales als ein intellektuelles Problem ist.
Re: Sinnlose Zitate
An den Luxemburg-Spruch musste ich da auch denken. Dabei ist ja "Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden" geradezu Director's Cut. Die marktgängige Version: "Freiheit ist immer die Freiheit des Anderen." Oft gehört. Gelegentlich auch hinten gestutzt, vorn verlängert: "Meinungsfreiheit ist immer die Freiheit des Anderen." Eigentlich könnte man's gleich ganz umschreiben: "Einigkeit und Recht und Freiheit sind immer Einigkeit und Recht und Freiheit der Anderen."
Das falsche Lächeln der Toleranz
Oder so: "Scheißegal, Hauptsache, ich seh tolerant aus und die anderen wie Dogmatiker." Das Gehubere mit diesen Zitaten wird nur noch durch den schweren Hölderlinmißbrauch in Ba-Wü übertroffen, der jedesmal zu verzeichnen ist, wenn in Ba-Wü irgend etwas eröffnet, angeschoben, angeleiert wird, das auch nur entfernt mit Dichtung, Denken, Schriftstellerei zu tun hat. Scheißegal, Hauptsache Hölderlin: "Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch", "Wohin denn ich", und was der Schmankerl mehr sind. Kulturamtsleiterterror pur.