Die elektronische Fußfessel bietet damit auch Langzeitarbeitslosen und therapierten Suchtkranken die Chance, zu einem geregelten Tagesablauf zurückzukehren und in ein Arbeitsverhältnis vermittelt zu werden. Viele Probanden haben es verlernt, nach der Uhr zu leben, und gefährden damit gerade auch ihren Arbeitsplatz oder ihre Ausbildungsstelle. Durch die Überwachung mit der elektronischen Fußfessel kann eine wichtige Hilfe zur Selbsthilfe geleistet werden.






Unfaßbar.


man fragt sich immer, ob solche leute gewisse filme, gewisse bücher nicht kennen.


Wahrscheinlich kennen sie sie sogar. Es interessiert sie einen Scheiß.


Andersrum

"Aha! Das ist ja interessant! Das könnte man ja auch..."


Stimmt. Literarische Alpträume als Schnittmusterbögen.


arbeitslager

outgesourced.


Wo Schönbohm nur quatscht, macht der "Hessen-Hitler" (© Titanic) ernst.


Empörend - aber deswegen schon das F-Wort?


Was müsste deiner Meinung nach noch passieren oder vorgeschlagen werden, damit diese Leute als das identifiziert werden, was sie sind? Überwachungs- und Bestrafungsterror, Arbeitswahn und die Selbstverortung der Sadisten als wohlwollende Pädagogen - ja, ich denke, das F-Wort ist angebracht.


Im englischsprachigen, eher utilitaristisch geprägten Raum werden die Dinger schon lange angewendet und eher nüchtern unter Kosten-Nutzen-Aspekten diskutiert (über google unter "electronic monitoring" zu finden). Auch in skandinavischen Ländern gibt es solche Trends, die dann eher sozialdemokratisch-wohlfahrtsstaatlich daher kommen. Ich finde es furchtbar - aber auch nicht furchtbarer oder "faschistischer", als Leute in Gefängnisse zu sperren. Ich hatte mal Gelegenheit, einen Knast zu besichtigen - da wäre mir ehrlich gesagt so eine Fußfessel lieber. Was mich so ankotzt, ist der billige Populismus dieser und ähnlicher Aktionen, dieses platte "Wie-komm-ich an-damit", dieses Surfen auf einer Welle von Law & order-TV-"Reportagen" aus den USA, die alle paar Wochen bei uns im Privat-TV ausgestrahlt werden. Ich warte auf die Einführung von "Boot-Camps" für schwer erziehbare Jugendliche nach texanischem Vorbild. Und natürlich periodisch immer wieder das Gerede von der Todesstrafe.


Ich weiß jetzt nicht genau, wieso der utilitaristische Hintergrund im englischsprachigen Raum ein Gegenargument zum F-Wort sein soll. Ich glaube nicht, dass Koch, Schönbohm, Beckstein aus einer utilitaristischen Ecke kommen. Eher aus einer Einstellung zu Arbeitsmoral und Menschenwert usw. die in Deutschland nunmal historisch durch Kaiserreich und Faschismus geprägt ist. Also kann man schon auch ganz nüchtern von Faschismus reden.


Ich kann in solchen Maßnahmen nichts spezifisch faschistisches erkennen. Auch nicht in den Biografien der drei genannten üblen Herren. Und über die faschistische Prägung Deutschlands lässt sich 60 Jahre nach Kriegsende auch trefflich streiten. Ich mags halt nicht, wenn man das Wort immer als Synonym für "schlimm" verwendet.


Tu ich nicht. Weißt du. Könnt dir jetzt kommen mit "Apologetik" usw. Haben wir schon zu oft durchgesprochen.

Update: Und schon sind wir ab vom Thema. Wie schnell das gehen kann.


Laienfaschismusdefinition: Seine Wirklichkeit unter ein Prinzip zu stellen, und seine Umwelt und insbesondere seine Mitmenschen nur aus dieser Perspektive - wieweit nützlich, wieweit verwertbar - zu betrachten. Insofern astrein faschistisch. Meine ich. Bin aber kein Historiker oder etc.


Oh je, da wäre dann aber viel Faschismus in der Welt... Man sollte sich überlegen, ob dieser Begriff, der inzwischen so abgenutzt, unscharf, emotional bis zur Hysterie aufgeladen und von Hinz + Kunz missbraucht wird, wirklich noch zur Analyse heutiger Realität taugt oder ob man ihn jetzt nicht einfach als historischen Begriff akzeptieren sollte. Wenn ich einen Artikel über NS-Verbrechen lese, dann kommen mir elektronische Fußfesseln + der dahinterstehenden Haltung + dem "Wehret-den Anfängen"-Genöle einfach lächerlich vor. Ich will das nicht mehr in einen Topf geworfen haben. Welche Verwendung des Begriffs jetzt mehr der Apologetik dient, scheint mir nicht so eindeutig.


Ermüdend. Wenn ich Dokumentationen wie Sklaven der Gaskammer sehe, kommt mir jede andere Form von Gewalt im Vergleich "lächerlich" vor. Was nicht heißt, dass sie nicht einen spezifisch faschistischen Charakter haben kann. Es gibt sehr viel Faschismus in der Welt, wohingegen der Nationalsozialismus zum Glück bis heute nicht wiederholt wurde. Die Zeiten, da everyone and their hamsters aus jedem beliebigen Grund Faschisten genannt wurden, sind übrigens vorbei. Aber dieser Fußfessel-Scheiß da ist faschistisch.

Auch in skandinavischen Ländern gibt es solche Trends, die dann eher sozialdemokratisch-wohlfahrtsstaatlich daher kommen.

Das ist übrigens sehr interessant, weil ich gerade neulich in Dänemark jemand getroffen habe, der genau die sozialdemokratisch-wohlfahrtsstaatlichen Faschismen im Skandinavien der Vorkriegszeit einmal einer genaueren Überprüfung unterzogen hat.


Ich sekundiere Hammerschmitt. Es ist ein faschistisches Konzept, weil darin unfreiheit zum therapeutischen Zustand erklärt wird. Unfreiheit ist Freiheit. Das ist purer Orwell. Und Orwell beschrieb nichts anderes als den Faschismus in seinen unzähligen Geschmacksrichtungen, die allerdings alle gemeinsam haben, dass Zwang in ihnen als wahre Form der Freiheit gilt.


Ja, ich sekundiere auch, da bleibt überhaupt nichts zu deuteln, es ist faschistisch und passt nur folgerichtig zu den mittlerweile ja nun wahrlich zahlreichen faschistoiden Politikansätzen, Sprüchen, Reden und Wahlkampfaktionen der Hessenclique um Koch, die man im übrigen allesamt unbesehen in einen Sack stecken kann. Als ich von den Fall hier hörte, dachte ich übrigens zuerst an den Bouvier, dem ich diese menschenverachtende Kaltschnäuzigkeit intuitiv noch am ehesten zugetraut hätte. Vom Wagner hatte ich bisher noch nicht viel gehört - nun, er passt dann ja offensichtlich gut zum Rest des hessischen Regimes.

Vergleiche mit Sonstwo bringen uns hier übrigens nicht weiter, es gibt schon recht klare Vorstellungen davon, was Faschismus ist, die mit einer regional unterschiedlichen Rezeption und Benennung oder Nichtbenennung bestimmter faschismusverdächtiger Sachverhalte nicht viel zu tun haben. Und diese Faschismusdefinition heißt in der Tat nicht Nationalsozialismus, und es ist keiner Sache dienlich, Beobachtungen faschistoider Tendenzen allein unter dem Hinweis auf potentielle Nationalsozialismusverharmlosung geradezu pauschal vom Faschismusverdacht freizusprechen.

Es geht hier außerdem nur zu einem Teil um den Faschismus in dem konkreten staatlichen Handlungsansatz, der mit dem zitierten Pamphlet propagiert wird. Es geht daneben vor allem um den Geist in den Köpfen, die sich sowas ausdenken. Und wenn dieser Geist, und in diesem liegt ja angesichts des bisherigen Wirkens der Koch-Bouvier-Wagner-Bande doch wirklich vor allem Kontinuität, nichts Faschistisches an sich haben soll, dann wüsste ich nicht mehr, was denn noch faschistisch sein soll.

[Edit: Hm. Hätte das jetzt nicht irgendwie "ich terziere" heißen müssen, da oben?]


Es ist ein faschistisches Konzept, weil darin unfreiheit zum therapeutischen Zustand erklärt wird.

achso, und wo ist dann der unterschied zwischen autoritär und faschistisch?


Nenne es faschistisch, wer sich auskotzen will, aber als analytischen Begriff zur Beschreibung aktueller gesellschaftlicher Phänomene halte ich das Wort für mausetot. PS: Ich dachte, Orwell habe so etwas wie "Totalitarismus" beschrieben.


Mit einem Handstreich hier neun Leute als bloße Auskotzer geohrfeigt. Nice to meet you, Martin. Dein Begriff für die Fußfessler wäre?


Dazu hab ich oben schon ein bisschen gesagt. Ich will hier niemand ohrfeigen - sorry, wenn das so rüberkam -, sondern mir geht es um die Frage, was dieser Begriff noch leisten kann und was nicht. Außerdem: auskotzen ist ja durchaus legitim, brauch ich auch manchmal..


@jbo: Vielleicht so: Faschismus ist zwangsläufig autoritär, autoritär ist aber nicht zwangsläufig faschistisch. Der von dir zitierte Satz reicht natürlich nicht zur Faschismusdefinition.

@magrohmann: Die Siebziger sind in der Tat ein ganzes Weilchen vorbei, und es geht, wie MH richtig festgestellt hat, nicht mehr darum, alles Nichtemanzipatorische als faschistisch zu geißeln, und es geht auch kein Stückweit ums Auskotzen, und die Erwähnung disqualifiziert Inhalte, egal wie "legitim" es ist und wer das wann "manchmal braucht". Der Faschismusbegriff unterscheidet sich deutlich genug von anderen Termini, die in Frage kämen. Welcher passt denn wohl besser? Dem Totalitarismusbegriff etwa fehlt ein großes Stück der Menschenverachtung, die in dem hessischen Ansatz steckt.


@magrohmann: Manchmal frage ich mich, was Du eigentlich in der Linkskurve suchst.

Fällt Dir nicht auf, daß es einen Unterschied gibt, ob ich nun einen Straftäter auf diese Weise unter Beobachtung stelle, oder ob ich mit so einer Fußfessel Langzeitarbeitslose, also bitte: LANGZEITARBEITSLOSE! - disziplinieren will? Oder ist Dir beim Lesen was entgangen?

Ich habe nicht den geringsten Zweifel daran, daß man konsequenterweise auch Schulschwänzer oder "Hausfrauen" auf diese Weise überwachen werden will. Jede Technik ist dann auch sehr bald auch für private Nutzer erreichbar. Entschuldige bitte, aber wem bei der Vorstellung nicht schwindlig wird, und wen der Ekel nicht überkommt, dem wird wohl auch vor offenem Faschismus nicht so richtig übel. Im übrigen fällt mir ja auf, daß gerade Marcus sich mit dem F-Wort zurückhält. Aber wenn er es, wie hier, einsetzt, dann passt's...


"Autoritär" ist mir in diesem speziellen Fall auch etwas zu lahmarschig, muss ich sagen. Klingt nach Rohrstock und strenger Lehrerin. Die Fussfessel steht eindeutig in der Tradition von Benthams Panoptikon. Das wiederum kann man natürlich sowohl als Reformansatz im Strafvollzug verstehen wie als Verlagerung der Knast-Funktionen ins Denken und Verhalten der unterworfenen Subjekte hinein. Wenn ich mich an Onkel Foucault noch richtig erinnere, ist genau das ein deutlicher Hinweis auf das F-Wort.


Die distanzierung

lautet: "gemeint seien Langzeitarbeitslose die eine Bewährungsstrafe bekommen haben", nicht Langzeitarbeitslose an sich. Was meiner Meinung nach aber auch nichts am, sagen wir mal, "strukturell Faschistischen" dieser Maßnahme ändert. (Kann man das so sagen?)

Zur Arbeit fällt mir ein Zitat ein, das Stoiber letztens in einem Interview im Tagesspiegel abgegeben hat, anlässlich einer Diskussion des Freiheitsbegriffes: "Arbeitslosigkeit ist der Quell jeder Unfreiheit". Das war auch der Titel des Interviews. Bedeutet schlicht: "Arbeit macht frei".

Der autoritäre Charakter bekommt in diesem Land einfach immer eine faschistische Ausformung.


In der Distanzierung windet man sich ja ziemlich. Die ursprüngliche Formulierung liest sich so mißverständlich nicht.


@wednesday: Wenn ich diesen Vorgang nicht als faschistisch bezeichnen mag, dann bedeutet das keineswegs, dass ich ihn verharmlosen will oder gar gutheiße! In der Sache sind wir uns da wahrscheinlich völlig einig. Ich mag bloß dieses Wort nicht mehr verwenden, weil ich es als analytischen Begriff für ziemlich untauglich halte (in den Sozialwissenschaften wird es meines Wissens schon lange nicht mehr gebraucht) und als politischen Kampfbegriff für eine Worthülse. Was ich in der "linkskurve" suche? Ich finde es ganz anregend, dort zu lesen und - ich gebe es zu - stänkere da mal ganz gern auch zu meiner eigenen Selbstvergewisserung gegen Selbstgefälligkeiten und für mich fragliche Gewissheiten. Manchmal lasse ich mich dabei von euch eines Besseren belehren und manchmal nicht.


Naja, zumindest die Faschisten selbst halten den Begriff nicht für eine Worthülse. In Italien sitzen sie in der Regierung. In Deutschland als Nazis in Länderparlamenten.


> In der Distanzierung windet man sich ja > ziemlich. Die ursprüngliche Formulierung liest sich > so mißverständlich nicht.

Ist doch klar - schließlich will man sich ja nicht irrtümlich von etwas distanzieren, was man eigentlich doch so gemeint hatte. Es geht nur darum, den Millimeter zurückzurudern, der die empörte Öffentlichkeit ein wenig vom Thema ablenkt. Wem der Reichsarbeitsdienst ideologisch recht ist, dem ist die bösartige Rafinesse des Reichspropandaministeriums billig.


@magrohmann: du magst das Wort nicht mehr verwenden, das wissen wir ja nun, aber du bleibst wiederholt die Antwort darauf schuldig, welches Wort ersatzweise zu verwenden wäre, wenn nun mal etwas beschrieben werden soll, für das "autoritär" nicht reicht oder nicht passt, für das "totalitär" nicht reicht, das aber noch nicht "nationalsozialistisch" ist.


radikal-autoritär, rechtspopulistisch? Das kleinere Übel wäre noch: faschistoid. Aber nee, lieber doch nicht... Man sieht, es muss noch am Begriff gearbeitet werden. Übrigens: Das mit den Fußfesseln ist selbst der Bildzeitung zu viel:

www.spiegel.de


Jetzt hatte ich einen Kommentar doch gecancelt, weil ich ja nicht selbst gefragt wurde - radikal-autoritär etc. passt schon, und "faschistisch" vielleicht nicht ganz, weil ja keine geschlossene Ideologie dahintersteckt, keine wie auch immer geartete "das muss jetzt alles so und so" Vorstellung. Was ja gerade den Würgereiz dieser Infamenz, Perfidie, wie auch immer ausmacht (das völlige Ausblenden von Menschen, Sichtweisen, Erfahrungen). Naja. Geht jedenfalls nicht um Begriffe.


»Wagner outete sich als engagierter Antidemokrat, als er am 10. März 2005 in einer offiziellen Presseerklärung des hessischen Justizministeriums für den Einsatz elektronischer Fußfesseln zur "Motivation" von Arbeitslosen aussprach (siehe auch Zwangsarbeit, Reichsarbeitsdienst, Sklaverei)«

(Aus dem Wikipedia-Artikel über den hessischen Justizminister Christean Wagner. Wird wahrscheinlich aufgrund des mitunter übertriebenen Objektivitätsgebots der Wikipedia bald wieder verschwinden.)


Sympathoid

@martinh: Kapitalismus wie Neoliberalismus sind "geschlossene" Ideologien, offen für Faschismus. Bzw. sich im Faschismus zu Hause fühlend. Sich in diesen gut einführen, einfühlend können.

Wenn Wagner faschistoide Ideen öffentlich verbreitet, outet er sich im schlimmsten Fall als "Faschistenschwein"; im besten Fall als Autist...

Radikal-autoritär klingt brav. Braune Wurzeln. Haha.


'Sympathoid' ist ein cooles Wort.