Das zweite Mal in kurzer Zeit, dass mir die Schweiz sympathisch vorkam.
Hinfahrt
Glückhaft bis jetzt die Fahrt durch das Eyachtal nach Horb, der Anschluss gerät nicht in Gefahr, zwar die Züge voll. Großes Geschiebe und Gedrücke bei der Platzwahl, der Cisalpino fast so eng wie der TGV. Der Junge mit gegenüber, recht groß, hat Probleme, seine Füsse unterzubringen. Die Frau links gegenüber hat sofort ihr Laptop ausgepackt und einen riesigen Knubbikopfhörer aufgezogen, sie scheint zu genießen, was das Laptop ihr sagt oder vorspielt. Wieder diese unglaubliche Verfallenheit der kleinen Bahnhöfe an der Strecke von Tübingen nach Horb, die Verfallenheit, Verwinkeltheit der Gegend überhaupt, zwischen aufgegebenen Steinbrüchen und obskuren Unternehmungen, die Namen wie "Pferdeklinik Bad Niedernau" tragen oder "Agefko Kohlensäure" (letzteres offensichtlich eine Ruine) entspinnt sich Leben. Die Orte heißen Starzach und Eyach und sehen auch so aus. Natürlich kann man da leben, aber wer will das schon? Die meisten Eyacher und Starzacher. Auf einem Industriegelände, ganz nah bei den Schienen sogar zwei brennende Mülltonnen, dann wieder scheint in einem Wohnzimmer eine hochmoderne Fräsmaschine zu stehen, wie ich sie aus meiner Zeit bei einem mittelständischen Maschinenbauer kenne. Im Zug haben viele Ohrhörer, die Handynutzung nimmt immer noch zu, scheint aber langsam auf ein Sättigungsplateau zuzusteuern. Umstieg in Horb. Rottweil. Die elende Stadt. Der Zoll durchstreift die Waggons, habe ich noch nie gemocht, Häscherhänger, bewaffnet natürlich. Sehr laute Unterhaltung auf einem Platz hinter mir, bin ich so auch schon aufgetreten? Natürlich.
Der Junge mir gegenüber popelt an und in seiner Nase herum und scheint überhaupt sein Gesicht für dringend reformbedürftig zu halten, zupfen hier, kneten da, Pubertät ist auch nicht lustiger als midlife crisis.
Hinter Tuttlingen. Hier mehr Schnee, war gut, mich eingepackt zu haben. Mann auf der anderen Seite des Gangs liest "unterwasser - das tauchmagazin", diesmal mit großem Haiposter.
Rückfahrt
Es scheint ein Nachtzug zu sein, aber im Grunde ist es früher Abend, Winter noch, am 14.2. umgeben von Schweizer Dunkelheit. Schönes Treffen mit gHack, man könnte jetzt in verschiedenen deutschsprachigen Städten zu tun haben und wüsste jemand, dem man nachher erzählen kann, wie es war, und der es auch versteht. Im Zürcher McDonalds mit Internetanschluss gewesen! Pommes und eine Apfeltasche gegessen, Vorsicht Inhalt heiß! Kurze Briefings gHacks über das Niederdorf (Zürcher Innenstadt), über die Zürcher Trams, über die Schweiz. Eigentlich hätte man dann losgehen und zum Beispiel in einem Kino landen können, aber der Zug musste fahren um 19.10 Uhr. Wenn ich hier sitze, wieder das Staunen darüber, dass ich Dinge wie diese Zürichfahrt genießen kann, ich muss wohl aufgewachsen sein. Ich weiß, wann es zu lächeln gilt in Hotels, ich mache mich verständlich. Ich kann die versammelten Komfortgeräte vom Fernseher bist zum Duschkopf dazu bringen, dass sie mich pflegen, dass sie mich unterhalten, ich muss noch ein wenig nach den Knöpfen suchen, aber dann verstehe ich es. Das kommt auch aus einem Vertrauen, dass die meisten Dinge verstehbar eingerichtet sind in einem Hotel. Wie auch in vielen anderen Einrichtungen (die Welt ist keine Einrichtung, manche Einrichtungen sind nicht verstehbar).
Dazwischen
Habe ich mit kundigen Menschen über die Zukunft gesprochen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass die Zukunft ungewiss ist.
Auch dringend benötigt: ein Museum der internationalen Hotelkunst.
Zürichsee, vom Hotel aus.
Die goldene Stadt. Sie liegt am Meer. Es gibt dort viele Möwen.