Wenn die rosa Rennwurst platzt
und am Mont Ventoux verpatzt
muss sich keiner drüber grämen
oder gar deswegen schämen.
Die Panne war ja vorgezeichnet,
käm sie nicht, wär's nur geeichnet,
doitsches Selbstgefühl zu heben -
Ullrich, bleib am Asphalt kleben!
Was ich an der Tour de France zukunftsweisend finde: Dort sind die Nationalstaaten eigentlich überwunden, die Muskeln treten nur noch für Konzerne in Aktion. Die Verhältnisse sind somit korrekt abgebildet. Nur scheinen die Medien das noch nicht kapiert zu haben.
Und die Menschen da draußen im Lande auch nicht. Was auch so bleiben soll, weil es die schönste Kombinationsadoration von Nation & Kapital (Thron & Altar) möglich macht, die man sich denken kann. Ja schon, Team Telekom, aber aischendlisch Doitschland. Oder andersrum. Recht hamse, läuft eh auf die gleiche Scheiße raus.
...ach, naja. Auch charakterlich scheint ja einiges durcheinander zu sein. Das, was Marcus wohl als "doitsch" imaginiert, scheint sich ja eher in der amerikanischen Kampfmaschine Lance Armstrong zu personifizieren ("Hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder..."), während unser etwas trainingsfauler Jan mit seinem Sinn für gute Speisen eher was hedonistisch-französisches hat. Der Mont Ventoux, mein Lieblingsberg, ist dieses Jahr übrigens leider nicht dabei. Aber morgen wirds auch spannend: Bergzeitfahren nach Alpe d'Huez...
Der Witz ist ja: auf irgend welche "Charaktereigenschaften" kommt es nicht an, alles ist gut, wenn unserer siegt, einer von uns, stellvertretend für uns. Ob er das als Kampfmaschine schafft oder mit drei Ladungen Spaghetti Vongole täglich spielt keine Rolle (im letzteren Fall würde der Spiegel von der "neuen deutschen Lockerheit" sabbern). Der Kruppstahl ist die Fallback-Position, die immer noch geht, wenn gar nix mehr geht, die Beschwörung der größeren Härte als Amok-Position ist dann der Stolz der Verlierer. Dieses Wichtigkeit des Schwanzlängenvergleichs, dieses Gestrebe um Weltgeltung, die Kränkung darüber, dass sie einem verwehrt wird, obwohl sie einem doch zusteht, das ist immer noch das Deutscheste, was es gibt.
...ich weiß nicht. Tour de France - Schwanzlängenvergleich - Weltgeltung... Ist das nicht ein bisschen arg weit hochmoduliert? OK, du findest Sport im allgemeinen und vielleicht Radsport besonders doof, aber im Gegensatz zum Fußball ist letzterer meines Wissens noch nie zum Schauplatz nationalistischer Auseinandersetzungen geworden. Ist der Starkult um Jan Ulrich wirklich politischer als der um Guildo Horn? Als die Tour 2000 durch Südbaden führte, war das ganze Spektakel ein deutsch-französisches Volksfest, so habe ich das empfunden.
Ti-Mobeil-Tiem
Großmarketingdeutsches Möchtegernglobalisierungsvokabular