Der eine, der um die Welt herum Kraftwerke verkauft. Erzählte eine wunderschöne Story, wie er da bei so einem pakistanischen Warlord auftauchte in Kraftwerksangelegenheiten und während des Gesprächs den Bescheid erhielt: Islam is very peaceful. Warlord sah aus wie Osama persönlich und war umgeben von Leuten, die wie Osamas persönliche Leibwache aussahen. Der eine mit Werbeagentur, die nur für alkoholische Getränke wirbt. Der eine, der für eine große Versicherung in der Welt unterwegs war, um das Geld den Betriebszielen gemäß anzulegen. Der eine, der die Maschinen programmiert, die die Autos programmieren, damit sie fahren wie gewünscht. Der Lehrer mit seiner angenehmen Nüchternheit, der mich über den Brillenrand hinweg etwas spöttisch ansah, wie er es auch früher getan hatte, als wir beide noch Schüler gewesen waren. Die Lehrerin, die mich im Vorbeigehen aufmerken ließ, wie sie es auch schon als Schülerin getan hatte, und ich sah den Grund. Die Informatikerin, die man in ihr früheres Leben zurückbeamen könnte, ohne dass es im Jahr 1985 für Stirnrunzeln sorgen würde, und wie stimmig und richtig ich das fand. Der Finanzinformatiker, dem alles scheißegal ist, und der Erdbeeren züchtet. Der Archäologe, der mein Freund war und blieb und heute immer noch ist. Der Rechtsanwalt, der erzählte, wie ein Amtsgericht am 1. April in Köln einen Schwarzfahrer (Wiederholungstäter) zum Tode verurteilte, denn in Köln ist der Staat geil drauf. Er sagte: "Ich habe Angst, dass du hier alles analysierst und dann darüber schreibst." Wie wir früher gelacht haben, weil die Zustände um uns herum noch viel blöder waren als wir blöden Hunde. Der Weinhändler, der jede seiner Geschichten auch vor zahlendem Publikum erzählen könnte, Gerd Dudenhöfer müsste mit seinem Becker Heinz einpacken. Die eine, die auf die x-te Frage, was sie denn jetzt so mache, rief: "Gar nix! Ich lackiere mir den ganzen Tag die Nägel, gehe ins Solarium und mache ansonsten ein Schweinegeld mit", und ich verstand nicht mehr, mit was sie angeblich ein Schweinegeld machte, denn das ging im Gelächter unter. Die Psychiaterin, die sich mit mir über Kinderliteratur unterhielt. Die meisten erkannten mich erst auf den zweiten Blick, denn ich hatte plötzlich keine langen Haare mehr und eine Brille. An meine Reden von früher erinnerte man sich noch gut. Der Architekt, wie schade, kam nicht. Alle was geworden, erst zwei gestorben.
Fand in einem ehemaligen Schwimmbad statt. Durch den Zaun hindurch das überwucherte Gelände; aus der Entfernung konnte ich sehen, dass sich im Olympiabecken genug Regenwasser angesammelt hatte, um in der Sommersonne Reflexe an die blaue Beckenwand zu werfen. In der Schwimmhalle waren noch die Überwachungskameras angeschraubt, dead eyes for security. Ein paar Mal wollte ich in die Zone entwischen, um Photos zu machen, aber ich fühlte mich zu wohl, ich war zu sehr dort, um auf diese Art wegzugehen.
Was ich öfter hörte: "Ich habe ein Buch von dir." Auch in den Varianten "Neulich, da habe ich alten Kram aufgeräumt, und da ist mir doch tatsächlich ein Buch von dir ..." / "Ich war mal auf deiner Homepage" / "Ich sollte mal ein Buch von dir lesen" und, zu meiner großen Überraschung: "Damals dieser erste Gedichtband von dir, den du da im Selbstverlag, was waren wir stolz, unser Poet." Mehrfach gehört, dass die Schulzeit doch eigentlich die beste war, es klang überzeugt und glaubwürdig. Zwei Mal angemerkt, dass mich die Hölle von damals noch heute verfolgt, dann gedacht: Hör doch auf.
Generell blieb unberührt, was zu traurig war. Richtig so, denn dafür war die Zeit nicht.
Spruch des Tages (als jemand verfrüht ging): "Schönen Lebensabend noch!" In zwanzig Jahren sind wir sechzig.
Generell blieb unberührt, was zu traurig war. - Ja, so war es bei uns auch. Und hinterher dachte ich kurz, wieder mal oberkritisch, "alles verlogen etc. pp." Kam dann aber auch schnell zu dem Schluss: Richtig so, denn dafür war die Zeit nicht.
Ich hatte letztes Jahr zum Zwanzigsten bei ersten Kontaktaufnahmen im Vorfeld die Überzeugung gewonnen, dass die Erinnerungsreste auf der positiven Seite bei weitem nicht genügen, um die verlogene Oberflächlichkeit, die bereits vor zwanzig Jahren Methode war, in einem solchen Rahmen erneut zu ertragen. Ob ich, hätte ich mich gezwungen, das Ganze letztlich ein bisschen wie Marcus gefunden hätte? Ich weiß nicht, denke aber eher nicht.
Ich kann dich verstehen, glaube ich, aber ich fand die Oberflächlichkeit milde und menschenfreundlich, deswegen fühlte ich mich wohl. Hätte so leicht schief gehen können, war aber anders.