Die Saarbrücker Zeitung, die es schon seit 1761 gibt, die aber immer noch nichts taugt, sie tut auch was für die Erinnerung. Auf der Seite 2 der Ausgabe vom 31.8.06 ("Schub fürs Heimatbewusstsein"). Es gibt nämlich einen Peter Winterhoff-Spurk, der in Saarbrücken das ehrliche Handwerk eines Psychologen ausübt. Er ist ursprünglich Sachse, und das wäre gar nicht schlimm, wenn er es nicht selbst so betonen würde. Er findet, die Saarländer sind nicht stolz genug.

Er jedenfalls möchte das Gefühl der Zugehörigkeit und Stärke nicht missen, das er aus seiner Heimat Sachsen mitgebracht hat. Dort trug er bereits als Kind, so schildert er das, Luther und August den Starken als selbstverständliche Ankerpunkte persönlicher Idenitifikationsfindung mit sich. Letztere vermisste er im Saarland: "Hier liegt doch nicht nur Kohle, sondern auch Geschichte unter der Erde!"

Man könnte jetzt ja dafür dankbar sein, dass einem hier ganz knapp erklärt wird, was mit der DDR schief gegangen ist, indem sie ihren Bürgern ausgerechnet Luther und August den Starken als Ankerpunkte persönlicher Identitätsfindung zutrug. Aber das macht nur ein Fass auf, von dem hier nicht gezapft werden soll. Winterhoff-Spurk jedenfalls hatte eine Idee. Ankerpunkte müssen her, und die soll man auch sehen können. Als Stelen. Für berühmte tote Saarländer. Die was gebracht haben in der Geschichte, fast so viel wie Luther und August der Starke. Genannt werden Elisabeth von Nassau-Saarbrücken (bemerkenswerte Einzelleistung: Schaffung des deutschen Prosaromans), Willi Graf und ein gewisser Kammerrat Röchling, der angeblich 1798 vor dem Saarbrücker Schloss einen Freiheitsbaum errichtet haben soll. Mit welchem Foto nun illustriert die Saarbrücker Zeitung den Kameraden Röchling? Mit dem von Hermann Röchling, dem einflussreichsten Nazi, den das Saarland zu bieten hatte. Wenn sich je einer die Beschimpfung "Hackfresse" verdient hat, dann er. Das ist jetzt nur ein blöder Zufall, dass die Saarbrücker Zeitung einen erinnerungspädagisch wertvollen Röchling mit Hermann der Hackfresse verwechselt. Ich möchte das jedenfalls glauben, obwohl im Text des Artikels extra auf das falsche Foto hingewiesen wird - (Foto:SZ) - und obwohl man sich fragen könnte, wie schwer verpeilt die Redaktion eigentlich sein muss, um sowas durchgehen zu lassen. Aber ein bezeichnender Zufall ist es auch. Denn Hermann Röchling wird im Saarland verehrt, in voller Kenntnis seiner Verdienste um den Nationalsozialismus. Ein Stadtteil von Völklingen/Saar heißt nach ihm persönlich. Ja, im Saarland liegt nicht nur Kohle unter der Erde, auch tote Zwangsarbeiter liegen dort. Und es braucht nur die Saarbrücker Zeitung und einen Psychologen, der positive Ankerpunkte für die Saarländer finden will, um das wieder einmal in Erinnerung zu rufen. Auch wenn beide nichts weniger wollten als das. Winterhoff-Spurk will:

Aus dem Mosaik historischer Personen, die ein politisch oder moralisch fortschrittliches Denken verkörpern, sollen sich "Rudimente eines neuen Bewusstseins" bilden, das endlich mal auf einer "gelungenen Identitätsbildung" beruht, die Verwurzelung erzeugt und Zielstrebigkeit ermöglicht. Beendet wäre damit die "erlernte Hilflosigkeit", Ergebnis der Erfahrung der Fremdbestimmung mit den Folgen "verminderte Leistungsbereitschaft, Lethargie und Negativismus." Doch, so Winterhoff-Spurk: "Es ist ein ausgesprochen politischer Beitrag zur Stabilisierung und Änderung unserer Gesellschaft."

Man könnte auf die Idee kommen, selbst der Endsieg wäre damals noch drin gewesen, wenn die Arbeitsklaven in Röchlings Werken nur kompetente psychologische Unterstützung gehabt hätten.

Die erste Stele wird vom Sparkassen- und Giroverband finanziert, und im nächsten Jahr an der St. Arnualer Stiftskirche aufgestellt, wo die Begründerin des deutschen Prosaromans begraben liegt.

Bringt es Hermann Röchling auch zu einer Stele, dieses Mal verwechslungshalber? Herr Winterhoff-Spurk sucht noch Kandidaten.

Ach ja.