Netzschmerzen wg. Netzferne. Jetzt in der Bibliothek, wo ich ein starkes Signal bekomme, unter wunderbar unaufgeräumten Bücherregalen sitze, und mich von der Sonne bescheinen lasse, die in mich gefallen ist heute. Der russische Gitarrist ("Jewgenij, directly from Moscow") übt gerade.

Wie die Leute hier ticken. Im Supermarkt bitte ich die Kassiererin um einen Euro für das Einkaufswagenschloss, sie mault, das sei nicht ihr Geld, sie könne nicht so ohne weiteres einen Euro hier herausrücken. Das müsse wieder zurück in die Kasse! Da geht mir ein Licht auf: Sie hat geglaubt, ich wolle von ihr einen Euro haben ohne Sicherheiten oder Gegenleistung. Ich kläre das Missverständnis, sie ist immer noch betrübt, um eine untunliche Dienstleistung angegangen worden zu sein. In Schwaben wäre eine Supermarktkassiererin nicht einmal auf die Idee gekommen, ein Kunde wolle sie einfach so um einen Euro angehen, wenn er darum bittet - dass er nur Geld wechseln will, würde als selbstverständlich vorausgesetzt.

Später frage ich eine weitere Käuferin nach dem Honig. Sie zeigt mir die ungefähre Richtung, aber ich finde mich trotzdem nicht gleich zurecht, deswegen bringt sie den Honig zu mir, sie zeigt auf die Gläserreihen in unmittelbarer Nähe: "Es gibt auch Langnese und noch andere Sorten." Verwirrt trotte ich weiter zum betreffenden Regal, nehme am Ende aber genau das, was sie mir gebracht hat, es ist das Richtige.

Die Pfälzer sprechen so saarlandnah, es ist manchmal, als wolle sich mein Ohr zurückhören in die Gegend, aus der ich komme. Auch manche Gesten, der Gang, bilde ich mir ein, eine gewisse Form von Gemütlichkeit, auch die Machart der älteren Häuser - es löst ein schwer beschreibbares Reißen in mir aus, früher nannte ich das "vergiftetes Heimweh", aber das trifft es auch nur fast.

Wie man eine neue Wohnung zu bedienen lernt. Wohin das Wasser geht, wenn man den Hahn zu weit öffnet. Wie man sich in der Küche zu drehen hat, damit man nicht anstößt. Wie die Geräusche sind, am Tag und in der Nacht. Hier trotz der nahen Straße manchmal eine Stille, dass man meint, gleich beginnt ein Krimi.








In der Erg.



Gleich wieder frei (Tagpfauenauge).



Der kleine grüne Mann auf der Straße.





Erschrecke jedes Mal.















Das Saarland wiederum hat mich, als ich mich dort vor ein paar Wochen beruflich aufhielt, an das Ruhrgebiet erinnert: Erstmal offensichtlich wegen der Mischung aus Natur- und Industrielandschaft (schönere Natur allerdings, und rostigere Industrie, wie mir schien), dann aber auch wegen einer gewissen Hemdsärmeligkeit der Leute und wegen einer bestimmten gemeinsamen scheußlichen Stilrichtung der insgesamt in Deutschland ja scheußlichen Häuser und Vorgärten.

(Das sind mal wieder sehr schöne Fotos; das könnte ich ja fast jedesmal sagen, habe ich aber glaubich noch nie.)


Das mit den Häusern und Vorgärten dachte ich auch mal. Seit ich - zuletzt wieder vergangene Woche gesehen - die immer noch vorherrschende Tendenz sächsischer Dorfbilder kennengelernt habe zur Naturbelassenheit, zur Abwesenheit stabiler Umzäunungen und Umbauungen, zu maximal oberflächlich gemähtem, vielfältigem Wiesenbewuchs auf und zwischen Grundstücken und an Straßen und Wegen, statt geordneten, versteinerten Flächen aus sauberst verfugtem Pflaster, statt großflächiger, effizienter Vernichtung noch des unscheinbarsten Unkräutleins, musste ich da ein Vorurteil erkennen. Umso scheußlicher wirken jedoch immer nach der Rückkehr die heimischen rheinland-pfälzischen Unser-Dorf-soll-schöner-werden-Dörfer. Staatlich geförderte Hässlichkeit.



@parka: Für mich war ja das Saarland die DDR der BRD, und da hören die Parallelen nun wirklich vollkommen auf: das hier ist so dermaßen nicht DDR, also so dermaßen. Danke für das Foto-Lob!

@demon: Ja, "Unser Dorf soll schöner werden", eine Ausgeburt der Hölle. Man hat so den Eindruck, innere Hässlichkeit und äußere, verordnete Hässlichkeit wachsen so aufeinander zu, umarmen sich, machen Kinder.


Wollte schon immer wissen, wo all die kleinen Windgongs und selbsteinschaltenden Gartenteichleuchten herkommen.


Sehnse.